Betriebliches Gesundheitsmanagement: Der schlimmste Fehler am Anfang

28.03.2019

Wollen Sie in Ihrem Unternehmen ein Betriebliches Gesundheitsmanagement – kurz BGM – starten? Fragen sich, wie Sie am besten anfangen? Gibt es schon einzelne Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung – kurz BGF – und Sie überlegen, womit Sie noch mehr Beschäftigte erreichen?

Gut, dass Sie sich erst einmal diese Fragen stellen, denn der richtige Start in ein BGM ist entscheidend für den weiteren Erfolg.

Gesucht: Knowhow für das Betriebliche Gesundheitsmanagement

Immer mehr Betriebe im Mittelstand, gerade kleinerer und mittlerer Größe (KMU), wollen die Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden gezielt fördern. Das liegt wohl auch daran, dass es in Deutschland schwieriger wird, geeignete Fachkräfte zu finden.

Gesundheitsfördernde Präventionsangebote und eine Unternehmenskultur, die auf die Belange der Mitarbeitenden achtet, machen ein Unternehmen attraktiver für Bewerber.

Das Projekt MEgA hat im Rahmen einer Studie die spezifischen Bedarfe der KMU unter anderem im BGM – Betriebliches Gesundheitsmanagement untersucht. Dazu wurden Geschäftsführer und HR-Manager aus 62 Betrieben befragt.

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Bedarf im BGM – Betriebliches Gesundheitsmanagemen, Bildquelle: https://gesundearbeit-mega

Die Ergebnisse zeigen deutlich: Bedarf ist da. Was fehlt, ist das Wissen um das richtige Vorgehen – bei der Einführung eines strategischen BGMs und der Einbindung von Beschäftigten und Führungskräften.

Ihr Knowhow als Betrieblicher Gesundheitsmanager oder -managerin ist also sehr gefragt.

Der schlimmste Fehler am Anfang: Sofort Aufträge umsetzen

Sie wollen ein BGM einführen.  Vielleicht sind Sie neu im Unternehmen oder neu in der Abteilung.

Jetzt ist der größte Fehler, den Sie machen können, sofort ins Tagesgeschäft einzusteigen. Das geht ganz schnell. Da alle auf Sie gewartet haben, gibt es sicher schon Aufgaben unter der Überschrift „Das macht dann der Gesundheitsmanager“.

In Nullkommanichts stecken Sie über beide Ohren in der Organisation von BGF Angeboten. Und dabei haben Sie über deren Sinn und Nutzen noch gar nicht nachdenken können. Es bleibt Ihnen keine Zeit, um in Ruhe die Ausgangssituation im Betrieb anzuschauen und daraus Ihr geeignetes weiteres Vorgehen zu entwickeln.

Also: Übernehmen Sie nicht die Organisation des nächsten Gesundheitstages.  Schreiben Sie nicht den Artikel über die letzte Laufaktion für die Mitarbeiterzeitung. Nehmen Sie noch keine Aufträge von anderen an, nur weil Sie jetzt für Gesundheit zuständig sind.

Wenn Sie im Betrieb wirklich etwas verändern wollen, dann werden Sie es anders machen.

Sie klären gründlich Ihren Auftrag. Und dann machen Sie sich erst einmal ein eigenes Bild davon, wo das Unternehmen in der Gesundheitsförderung steht und wie die Kollegen, Mitarbeitern und Führungskräften dies bewerten.

Jetzt, am Anfang, wird man Ihnen die Zeit und vermeintlich dumme Fragen noch zubilligen: Sie sind neu, Sie stehen am Anfang. Später werden Sie kaum Zeit und Ruhe dafür haben.

Also, die Aufgabe für die nächsten Tage:

Nehmen Sie sich Zeit, um sich Ihr eigenes Bild zu machen

Schritt 1: Klären Sie Ihren Auftrag

Auftragsklärung? Ich mache keine Unternehmensberatung, denken Sie vielleicht.

Doch, machen Sie. Überlegen Sie mal: Sie sind der Experte oder Expertin für den Erhalt und die Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden im Unternehmen. Sie wissen, wie das geht. Und es ist Ihre Aufgabe, die Geschäftsleitung, Kollegen und Führungskräfte darin zu beraten.

Ihr Chef hat Ihnen gesagt, Sie sollen ein BGM einführen? Damit ist der Auftrag doch klar meinen Sie?

Nein, ist er nicht. Ein bisschen präziser darf es schon sein. Fassen Sie unbedingt nach:

  • Was versteht Ihr Vorgesetzter eigentlich unter BGM – Betriebliches Gesundheitsmanagement? Versteht er das Gleiche wie Sie? Kennt er den Unterschied zwischen BGF und BGM? Wenn nein, dann sollten Sie ein gemeinsames Verständnis erarbeiten.
  • Und was versteht er unter Gesundheit? Und was unter Krankheit? Denkt er dabei nur an Rückenschmerzen und Grippe oder spielt auch das psychische Wohlbefinden eine Rolle?
  • Bis wann soll was erreicht werden? Woran wird die Zielerreichung festgemacht? Wann haben Sie als BGM Beauftragte einen guten Job gemacht?
  • Warum will das Unternehmen gerade jetzt mit BGM starten? Was ist Auslöser dafür? Was ist das Ziel dabei? Sollen wirkliche Veränderungen erreicht werden oder geht es nur um ein paar Vorzeigemaßnahmen?
  • Welche Kompetenzen haben Sie? Welche Ressourcen stehen Ihnen zur Verfügung?

Mehr zum Thema Auftrags- und Erwartungsklärung erfahren Sie auch in dem Artikel Einzelkämpfer im BGM? Was Sie tun können, wenn´s schwer wird

Sie brauchen für Ihre Arbeit Klarheit in diesen Fragen.

Sie brauchen Klarheit, damit Sie die richtigen Entscheidungen über das weitere Vorgehen treffen können. Notieren Sie unbedingt, was Sie besprochen haben und stimmen Sie dann die Kernpunkte daraus mit Ihrem Auftraggeber ab.

Als ich damals im BGM gestartet bin, war der Auftrag meiner Führungskraft: „Wir wollen im BGM Benchmark in unserer Branche werden.“ Was er meinte war: Sichtbar die Besten sein im Kreise unserer engsten Wettbewerber, Vorbild mit unserem BGM.

Für mich hieß das zweierlei: Zum einen ein wirklich gutes Betriebliches Gesundheitsmanagement aufbauen. Zum anderen damit auch nach außen, in der Presse und Öffentlichkeitsarbeit, sichtbar werden.

Schritt 2: Reden Sie mit Betroffenen

Nachdem Sie Ihren Auftrag abgestimmt haben, wollen Sie mehr über das Unternehmen und Ihre Kollegen und Mitarbeitenden erfahren. Im Projektmanagement würde man sagen: Machen Sie eine Stakeholder-Analyse.

Im Kern geht es darum, dass Sie die Interessenlage anderer im Unternehmen kennen lernen.

Warum? Damit Sie deren voraussichtliche Reaktionen auf Ihre Aktivitäten im BGM berücksichtigen können.

Nein, nicht um es dann allen recht zu machen. Sondern um Unterstützer zu finden und für Hindernisse, die sich abzeichnen, Vorbereitungen zu treffen.

Reden Sie also mit denjenigen, die von Ihren BGM Ideen und Maßnahmen betroffen sind.

Ihr Ziel ist dabei, die Erwartungen, Einstellungen, Erfahrungen und Meinungen Ihres Gegenübers zum BGM zu erfahren. Und das funktioniert oft besser informell, bei einem Kaffee oder einem Mittagessen, als in einer offiziellen Besprechung.

Treffen Sie sich zum Beispiel mit Verantwortlichen aus der Personalabteilung, mit unterschiedlichen Führungskräften und verschiedenen Kolleginnen und Kollegen.

Sie wollen unter anderem herausfinden, wie andere zum Thema Gesundheitsmanagement stehen. Sind sie Unterstützer für Sie oder eher Kritiker? Außerdem wollen Sie wissen, wie die Sicht der anderen auf die gesundheitliche Situation im Unternehmen ist:

  • Wird das Wohlbefinden der Beschäftigten als Teil der Unternehmenskultur erlebt? Wird Gesundheitsförderung als ehrliches Interesse des Unternehmens am Wohl der Mitarbeitenden gewertet oder als Feigenblatt?
  • Wo sehen Ihre Gesprächspartner Handlungsbedarf? Was läuft schon gut, was eher schlecht?
  • Gab es schon Projekte und Aktivitäten, und wie kamen die an? Was hat funktioniert in den Augen der anderen und was nicht?

Reden Sie unbedingt auch mit Fachkollegen und -kolleginnen, die eine Rolle im Arbeits- und Gesundheitsschutz oder der Gesundheitsförderung haben.

Zum Beispiel mit Vertretern aus dem Betriebsrat oder Personalrat, dem zuständige Betriebsarzt, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Schwerbehindertenvertretung, der Jugendausbildungsvertretung.

Hören Sie ins Unternehmen hinein.

Hören Sie zu, fragen Sie nach. Seien Sie ehrlich interessiert und zeigen Sie dabei auch unbedingt Respekt und Wertschätzung für die Leistungen und Meinungen Ihrer Gesprächspartner.

Fragen Sie auch, inwiefern Sie mit Unterstützung rechnen können und bieten Sie selbst Bereitschaft zur guten Zusammenarbeit an.

Schritt 3: Nutzen Sie Ihre Erkenntnisse gezielt für Ihr Betriebliches Gesundheitsmanagement

Nach jedem Gespräch machen Sie sich Notizen und halten Sie das Wichtigste fest. Am Ende erstellen Sie eine Auswertung. Sie sollte hauptsächlich in zwei Richtungen zielen:

1. Wie ist die Haltung, die Stimmung im Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung, zum BGM, zu bisherigen Aktionen und Maßnahmen? Welche Konsequenzen hat das für Ihr Vorgehen?

Hier ein Beispiel: In einem mittelständischen Metall verarbeitenden Unternehmen kam der Gesundheitsverantwortliche am Ende seiner Befragung von Stakeholdern zum Ergebnis, dass viele Mitarbeiter Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und die Einführung eines BGMs überwiegend ablehnten.

Was war falsch gelaufen?

Mit den bisherigen BGF Projekten und Aktionen (Vorträge zu gesunder Ernährung, Rückenschule, Stress-Seminare) sollte einzig und allein das Verhalten der Mitarbeitenden geändert werden. Und so war auch die Kommunikation gestaltet.

Die Botschaft lautete stark vereinfacht: „Liebe MitarbeiterInnen, Sie müssen sich gesünder ernähren, mehr bewegen und Stress-resistenter werden. Dann sinken auch die Fehlzeiten.“ Die Unternehmensleitung fand es nicht notwendig, auch die Verhältnisse im Betrieb gesundheitsförderlich zu gestalten.

Entsprechend skeptisch standen Viele der geplanten Einführung eines BGMS gegenüber.

Ein Betrieblicher Gesundheitsmanager, der also nicht mit offenen Armen empfangen wird, wird als oberstes Ziel haben, zerstörtes Vertrauen in der Belegschaft wiederherzustellen.

Durch gute Kommunikation und die sensible Auswahl seiner ersten Aktivitäten.

2. Was haben Sie erfahren, über die Einstellungen und Erwartungen Ihrer Gesprächspartner, und wie können Sie diese nutzen?

Mir hat bei der Gesprächsauswertung eine strukturierte Übersicht in Form einer Tabelle geholfen, mit den folgenden Spaltenüberschriften:

  • Name
  • Rolle im Unternehmen
  • Einstellung zum BGM (positiv, neutral, negativ)
  • Wichtigkeit für das BGM (hoch, mittel, niedrig)
  • Einfluss im Unternehmen (hoch, mittel, niedrig)
  • Bereitschaft zur Unterstützung (hoch, mittel, niedrig)

Wichtig: Diese Unterlage ist für Sie und nur für Sie bestimmt! Stellen Sie unbedingt sicher, dass hierauf niemand anderes Zugriff hat.

Ein Betriebliches Gesundheitsmanagement einzuführen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

Das können Sie als Gesundheitsmanager nicht alleine, dafür sind alle im Unternehmen verantwortlich. Aber Sie sollten die Fäden in der Hand halten, und Sie sollten steuern.

Hierbei leistet die Tabelle gute Dienste. Sichern Sie sich bewusst die Unterstützung und Mitarbeit vor allem von denjenigen, die eine positive Einstellung zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement haben. Die wichtig für die Umsetzung sind, beziehungsweise Einfluss im Unternehmen haben. Binden Sie diese Personen aktiv in Entscheidungs- und Diskussionsrunden, in einen Lenkungsausschuss oder einen Steuerungskreis Gesundheit ein.

Versuchen Sie außerdem immer wieder diejenigen zu überzeugen, die BGM eher negativ sehen, aber einflussreich sind. In einem meiner nächsten Blogartikel werde ich Ihnen dazu einige Möglichkeiten aufzeigen.

Mein Fazit

Ihr Wissen darüber, wie man ein Betriebliches Gesundheitsmanagement aufbaut, ist gerade in KMU sehr gefragt.
Starten Sie Ihre Arbeit als GesundheitsmanagerIn nicht gleich mit Maßnahmen, sondern unbedingt mit einer Orientierungsphase.

Dazu gehört: Den Auftrag klären und ins Unternehmen hinein hören. Fragen stellen, zuhören, sich ein eigenes Bild machen und die gewonnen Erkenntnisse dann klug nutzen.

 

 

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