Im BGM mit Fehlzeiten argumentieren – was Sie dafür wissen müssen

12.02.2024

Sie möchten Ihr Betriebliches Gesundheitsmanagement voran bringen? Sie suchen nach guten Argumenten für mehr Unterstützung im BGM und wollen die Fehlzeiten in Ihrer Organisation dafür nutzen?

Sie erhoffen sich auch mehr Budget für geeignete Maßnahmen, wenn Sie Ihrem Arbeitgeber zeigen können, dass hier großer Handlungsbedarf besteht?

Prima.

Fehlzeiten analysieren und managen gehört unbedingt zu Ihrem Job im BGM

Denn wenn Beschäftigte krank sind und nicht arbeiten, hat das für Betriebe und Verwaltungen wirtschaftliche Konsequenzen: Es verursacht Kosten und Aufwand.

Von daher …

… sollten Sie mit hohen oder steigenden Zahlen argumentieren können, bekommen Sie meistens eine große Aufmerksamkeit bei Ihren Chefinnen und Chefs.

Nicht umsonst veröffentlichen die gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig Informationen darüber, wie sich beispielsweise die Krankentage, -fälle und -quoten ihrer Versicherten im vergangenen Jahr entwickelt haben.

Auch die Bundesregierung gibt jährlich den Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ heraus. Für Betriebliche GesundheitsmanagerInnen übrigens eine klasse Datenquelle – mit seriösen Zahlen und Fakten.

Dabei gibt´s einen echten Vorteil –

Kennzahlen zu Fehlzeiten können Sie sich schnell beschaffen.

 Jetzt denken Sie vielleicht: „Dann frag´ ich gleich mal im Personal-Controlling nach …

und schwupps …

schon habe ich die Daten für meine Präsi und überzeugende Argumente für mehr BGM-Maßnahmen.“

Mmmh.

Das ist grundsätzlich keine schlechte Idee.

Aber: Ganz so einfach, ist die Sache leider nicht.

Fehlzeiten sind nicht gleich Fehlzeiten

Einfach mal schnell die Zahlen der letzten Jahre in eine Graphik packen und im nächsten Meeting damit argumentieren – das könnte ziemlich unangenehm werden.

Das ist dann in etwa so, als wenn Sie nach einem netten Abend –

 

mit etwas zu viel Rotwein – im Auto nach Hause fahren

und inständig hoffen, dass Sie keiner anhält und Ihnen unangenehme Fragen stellt😉.

 

 

Fehlzeit bedeutet nämlich erstmal nichts anderes als Abwesenheit vom Arbeitsplatz.

Und die muss gar nichts mit Krankheit zu tun haben. Da gehören beispielsweise auch Urlaubs- und Fortbildungszeiten dazu.

Von Äpfeln und Birnen beim Datenvergleich

O.k. Also nutzen Sie dann eben diejenigen Zeiten, die nur durch Krankmeldungen verursacht wurden?

Schon besser.

Hier mal eine Übersicht der Barmer BKK, wie viele krankheitsbedingte Fehltage jeder Beschäftigte in Deutschland in den letzten Jahren hatte.

Diagramm zeigt Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage der Jahre 2020 bis 2021

Der Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage erklärt sich zum großen Teil dadurch, dass nach der Corona-Pandemie wieder stärkere soziale Kontakte zu erhöhter Ansteckung bei Atemwegserkrankungen geführt haben. Dieses Wissen hilft, wenn Gesundheitsverantwortliche mit Fehlzeiten im BGM argumentieren.

 

In 2022 hat jede(r) Versicherte der Barmer BKK im Durchschnitt mehr als 24 Tage krankheitsbedingt gefehlt.

Wie sieht es bei Ihrem Arbeitgeber aus?

Nur mal angenommen: Die Daten, die Sie aus dem Personal-Controlling bekommen haben zeigen, dass die Beschäftigten 2022 im Durchschnitt 26 Tage krankheitsbedingt fehlten.

Liegt Ihr Betrieb also über dem Bundesdurchschnitt? Haben Sie überdurchschnittlich hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten?

Ist es eine gute Idee, die Zahl 26 in den Vergleich mit Ihren betrieblichen Zahlen zu setzen? Ist das ein richtiges Argument für mehr Budget und Unterstützung in Ihrem BGM?

Ehrlich gesagt:

Solange Sie nicht genau wissen, wie Ihre Zahlen zustande gekommen sind, was genau sich dahinter verbirgt, solange riskieren Sie Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Das hilft Ihnen nicht weiter.

Im Gegenteil: Sie und Ihre Vorgesetzten würden die falschen Schlüsse daraus ziehen und im Worstcase falsche Entscheidungen treffen.

Der richtige Weg um mit Fehlzeiten zu argumentieren

Verstehen Sie mich nicht falsch. Sie sollten als Betriebliche GesundheitsmanagerIn natürlich die Entwicklung und Höhe Ihrer Fehlzeiten kennen und vergleichen.

Denn, krankheitsbedingte Fehlzeiten …

🔹 zeigen Ihnen – quasi wie ein Fieberthermometer – in welchen Bereichen es bei Ihnen Probleme gibt.

🔹 lassen sich bestimmt auch aus den IT-Systemen Ihres Unternehmens einfach generieren.

🔹 haben eine hohe Relevanz für Ihre Geschäfts- und Personalleitung und

🔹 sind gängige Kennzahlen im Controlling. Sie verwenden damit typische Vokabeln der „Management-Sprache“. Dazu mehr in meinem Blogartikel “Warum Sie endlich mit Kennzahlen arbeiten sollten …”

Argumentieren Sie mit diesen Daten. Vergleichen Sie dabei aber nur Daten, die auch wirklich vergleichbar sind.

Bevor Sie also mit Zahlen argumentieren, lesen Sie hier ein paar Tipps von mir.

Die Daten zu Fehlzeiten verstehen – dann erst verwenden

1. Verwenden Sie die richtigen Fachbegriffe

Fehlzeiten, Arbeitsunfähigkeit, Krankenstand – umgangssprachlich geht da oft Einiges durcheinander. Ist meistens auch nicht weiter tragisch.

Allerdings:

In Krankenkassenberichten, wissenschaftlichen Studien, Fachartikeln und Statistiken, haben diese Begriffe eine feststehende Bedeutung.

Um damit sicher arbeiten und argumentieren zu können, machen Sie sich vorab klar, was die Bezeichnungen genau bedeuten.

Hier ein paar Beispiele:

Übersicht mit Begriffserklärungen zur Interpretation von krankheitsbedingten Fehlzeiten für BGM

Übersicht Begriffserklärungen rund um krankheitsbedingten Fehlzeiten und Arbeitsunfähigkeit

Weitere Erläuterungen finden Sie in den Gesundheitsberichten der gesetzlichen Krankenkassen wie z.B. im DAK-Gesundheitsreports 2023. Es lohnt sich, sich damit einmal zu beschäftigen.

Dann sind Sie auch gewappnet, wenn Sie die Zahlen im Meeting präsentieren und der erste Teilnehmer die Hand hebt und sagt:

 

2. Bei externen Vergleichen: Bleiben Sie in Ihrer Branche

 Sie wollen wissen, wo Ihr Betrieb oder Ihre Verwaltung in Sachen Gesundheit steht.

Da hilft es Ihnen natürlich, Ihre betrieblichen Zahlen mit den Fehlzeiten anderer Betriebe oder Verwaltungen zu vergleichen. Dadurch bekommen Sie ein Verständnis dafür, ob die oben erwähnte „26“ nun viel oder wenig ist.

Solche Daten finden Sie beispielsweise in den Jahresberichten von gesetzlichen Krankenkassen.

Wichtig ist dabei: Vergleichen Sie die Daten nur mit denen aus der Branche (oder dem Wirtschaftszweig) Ihrer Organisation. Zu welcher Branche Ihr Arbeitgeber gehört, erfahren Sie in der Regel von Ihrer Buchhaltung oder dem Rechnungswesen.

Vergleiche mit einem Bundesdurchschnitt sind wenig hilfreich.

Warum?

Der Krankenstand ist je nach Branche sehr unterschiedlich.

Im Fehlzeitenreport 2023 des wissenschaftlichen Instituts der AOK wird der Krankenstand in 2022 in der Branche Energie, Wasser, Entsorgung und Bergbau mit 7,6 % angegeben. Die Branche Banken und Versicherungen lag bei 4,9 %.

Das bedeutet: Allein die unterschiedlichen Tätigkeiten von Beschäftigten und die typischen Arbeitsbedingungen, die eine Branche mit sich bringt, beeinflussen also schon die Höhe der Fehlzeiten.

Is’ klar, oder?

  • Die Arbeit des Mannes in der Müllentsorgung:  Bei Wind und Wetter hinten am Heck des LKWs auf- und abspringen, schwere Mülltonnen ziehen und den ganzen Tag auf den Beinen sein.
  • Die Arbeit einer Versicherungskauffrau im Innendienst: Versicherungsverträge und komplizierte Schadensfälle bearbeiten, auch schwierige Telefonate mit Kunden führen und den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen.

Deshalb: Für eine sinnvolle Argumentation nutzen Sie die Daten aus Ihrer Branche.

Und denken Sie unbedingt daran:

Gesetzliche Krankenkassen berücksichtigen Arbeitsunfähigkeitstage erst, wenn eine AU-Bescheinigung eingereicht wurde. Gerade bei Erkrankungen, die kürzer als 4 Tage dauern, ist das oft nicht der Fall.

Unternehmen und Verwaltungen erfassen in ihren Personaldatensystemen die Arbeitsunfähigkeit aber in der Regel ab dem 1. Tag. Nämlich dann, wenn der Beschäftigte sich krank meldet.

Die tatsächlichen Zahlen Ihrer Organisation liegen daher i.d.R. höher, als die Durchschnittswerte der Krankenkassen!

Machen Sie in Ihrer Argumentation immer transparent, wenn die Vergleichbarkeit nicht 1 zu 1 geben ist.

3. Krankheitsbedingte Fehlzeiten intern vergleichen

Arbeiten Sie zum ersten Mal mit den Fehlzeitendaten? Dann schauen Sie sich erst einmal nur die Zahlen innerhalb Ihrer Organisation an.

Lassen Sie die Daten beispielsweise auswerten nach unterschiedlichen Unternehmensbereichen, nach Geschlecht und nach Altersgruppen.

Nehmen wir an, die Arbeitsunfähigkeitstage lagen 2023 pro Beschäftigtem im ganzen Unternehmen bei 15, in der Abteilung A bei 19 und der Abteilung  B bei 8. Dann haben Sie hier schon einen ersten Hinweis (und mehr als ein Hinweis ist es auch nicht!) darauf, wo im Unternehmen ein Handlungsschwerpunkt liegen könnte.

Auch dabei:

Schauen Sie „hinter“ die Zahlen. Lassen Sie sich erklären, wie sie zustande gekommen sind. Fragen Sie einfach mal bei denjenigen nach, die sich damit auskennen und die Auswertungen erstellt haben.

🔸 Welche Fehlzeiten sind in die Daten eingeflossen? Wurden auch Kuraufenthalte, Abwesenheit wegen erkrankter Kinder, Arztbesuche, Reha-Maßnahmen gezählt ?

🔸 Wer wurde berücksichtigt? Nur fest angestellte Beschäftigte oder auch freie MitarbeiterInnen oder Zeitarbeitskräfte?

🔸 Welche Zahlen wurden bei den Sollarbeitstagen zu Grunde gelegt?

🔸 Werden auch krankheitsbedingte Fehlzeiten an Wochenenden eingerechnet?

Nur das, was Sie verstehen, können Sie richtig interpretieren.

Solange Sie die Ursachen der Fehlzeiten nicht genau kennen, bleiben Sie zurückhaltend mit einer Interpretation.

Es ist wie bei einem Eisberg. Das Offensichtliche schwimmt über der Wasserfläche. Der größte Teil ist nicht sichtbar.

Ein weißer Eisberg schwimmt im Meer, über der Oberfläche schwimmt ein kleinerer Teil als darunter. Es ist wie bei den krankheitsbedingten Fehlzeiten.

Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind wie ein Eisberg

Krankheitsbedingte Fehlzeiten sind das Offensichtliche. Aber Sie sagen nichts über die Ursachen – über das, was unter der Oberfläche liegt.

Denn:

Nicht jeder der fehlt, ist tatsächlich krank. Da können auch geringe Motivation, private Probleme oder Stress mit dem Chef dahinter stecken.

Und nicht jeder der zur Arbeit gekommen ist, ist tatsächlich gesund. Beschäftigte kommen manchmal, auch wenn sie eigentlich ins Bett gehören, aus Solidarität mit dem Team oder aus Angst vor negativen Konsequenzen zur Arbeit.

Außerdem:

Es gibt Entwicklungen, die lassen sich nur eingeschränkt beeinflussen.

So steigen die Krankmeldungen meistens im Frühjahr mit der Erkältungs- und Grippezeit. Ein Trend, den Sie jedes Jahr wieder an den Zahlen ablesen können. Oder nehmen Sie die Corona-Pandemie. Die Auswirkungen sind in den Fehlzeitenstatistiken deutlich zu sehen.

Sie brauchen zusätzliche Daten – zum Beispiel aus Beschäftigtenbefragungen – um die richtigen Schlüsse zu ziehen und sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln.

Fazit

Auch, wenn es immer mal wieder Kritik an Fehlzeitenanalysen und -management gibt: Nichts spricht dagegen diese Kennzahlen zu erheben und als Argumentation für Ihr BGM zu nutzen.

Argumentieren Sie aber mit solchen Daten, deren Hintergrund und Zustandekommen Sie verstanden haben. Und vergleichen Sie nur, was auch vergleichbar ist.

Ergänzen Sie die Fehlzeitendaten dann um Informationen, die Ihnen mehr über die Ursachen erzählen. Denn Sie wollen Maßnahmen entwickeln, die die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten wirklich verbessern.

Ach, noch was: Bremsen Sie Erwartungen Ihrer Vorgesetzten, wenn es nur darum geht, die bloßen Zahlen nach unten zu treiben. Das hat mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement sonst nichts mehr zu tun.

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