Sind Kennzahlen im BGM nötig? Müssen Betriebliche GesundheitsmanagerInnen ein Kennzahlensystem haben? Ich meine: Ja! In diesem Artikel zeige ich Ihnen die Macht von Kennzahlen und wie Sie anfangen können, im Betrieblichen Gesundheitsmanagement mit ihnen zu arbeiten.
„Mal angenommen, Du würdest dich mit Kennzahlen und Controlling im BGM richtig gut auskennen. Was dann?“ frage ich in meinem Live-Online-Kurs eine Teilnehmerin.
Sie sagt: „Dann hätte ich mehr Unterstützung für mein BGM. Dann wäre bei uns alles anders“.
Klasse! Mehr Unterstützung, alles anders. Sehen Sie das auch so?
Ja dann los …
Fangen Sie an, sich um Kennzahlen im BGM zu kümmern
Bei Kennzahlen denken Sie an Mathe und das ist nicht Ihre Stärke?
Ach, Unsinn.
Kennzahlen begleiten uns doch täglich.
- Fußball-Fans wissen sofort, was der Sieg Ihrer Mannschaft letzten Samstag für die Punkte und die Position in der Bundesliga-Tabelle bedeuten.
- Eltern sehen anhand der Note, ob ihr Sprössling die letzte Latein-Klausur gepackt hat oder die Versetzung gefährdet ist.
- Köchen verrät die Gramm-Angabe im Rezept, wieviel Salz, Pfeffer und Creme fraiche in die Kürbis-Suppe gehört, damit sie erstklassig schmeckt.
Kennzahlen reduzieren komplexe Informationen. Sie verschaffen uns schnell einen Einblick und einen Überblick und machen unsere Kommunikation untereinander einfacher.
Wenn Sie im BGM Ziele haben, etwas erreichen wollen, dann brauchen Sie Kennzahlen.
Sie müssen “messen – zählen – wiegen”.
🔸 Ich will abnehmen? Dann wiege ich mich jeden Morgen im Badezimmer und verfolge, wie sich die Kilos entwickeln.
🔸 Ich will mich mehr bewegen? Dann lad´ ich mir eine Schrittzähler-App runter und gucke abends, ob ich mein Ziel erreicht habe.
🔸 Ich will auf Instagram Aufmerksamkeit mit einem süßen Katzenfoto erzielen – will ich nicht, ich hab´ nämlich keine Katze – dann guck ich stündlich auf die Likes.
Von morgens bis abends nutzen wir Kennzahlen.
Aber im BGM?
…
Ebbe.
Auch, wenn Sie meinen:
- Das ist mir viel zu kompliziert.
- Der Nutzen von BGM ist so schwer zu greifen, das geht auch nicht mit Kennzahlen.
- Ich kann das nicht.
Lassen Sie sich nicht abschrecken. Fangen Sie an, Ihr eigenes Kennzahlensystem aufzubauen.
Ich habe Ihnen weiter unten ein paar Tipps aufgeschrieben, die es Ihnen am Anfang leichter machen.
Kennzahlen sind der beste Weg, um die Aufmerksamkeit Ihrer obersten Führungskräfte zu bekommen
Ein Management-Vordenker muss es ja wissen.
Kennzahlen, Zeitreihen, ROI (Return on investment), Soll-Ist-Vergleiche – das sind Vokabeln der Managementsprache.
Entscheider verstehen sie. Denn damit lenken sie den Erfolg des Unternehmens.
Wenn Sie als GesundheitsmanagerIn gehört werden wollen, dann sollten Sie in dieser Sprache mindestens Grundkenntnisse haben und diese Kenntnisse auch nutzen.
Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung ZEW hat vor einiger Zeit 5.000 Unternehmen unterschiedlicher Größe befragt. Aus den Branchen: Informations- und Kommunikationstechnologie, Mediendienstleister und wissensintensive Dienstleister wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Unternehmensberatungen.
82,7 % nutzen Kennzahlensysteme, um ihr Geschäft zu steuern. Vor allem Großunternehmen.
Und diese Kennzahlen stehen bei Entscheidern in Wochen-Updates, Personalstatistiken, Quartalsberichten, Jahresabschlüssen und und und.
Wenn Ihre Kennzahlen im BGM es da rein schaffen – dann kriegt das Thema die Aufmerksamkeit, die Sie brauchen.
Wenn nicht?
Dann spielen die Themen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bei wichtigen Entscheidungen in Ihrem Unternehmen keine Rolle.
Was versteht man unter einer Kennzahl?
Eine Kennzahl drückt Sachverhalte in Zahlen aus. Sie gibt ihnen einen Wert. Damit wird es einfacher, einen Sachverhalt einzuschätzen.
Ein Beispiel:
„Ich habe mich heute wenig bewegt“.
O.k. Das ist der Sachverhalt. Ziemlich unbestimmt. Sie können mit meiner Aussage vermutlich nicht viel anfangen. Sie wissen nicht, was für mich „wenig“ bedeutet. Sie können nicht einschätzen, ob es in Ihren Augen auch „wenig“ ist.
„Ich bin heute nur 3000 Schritte gegangen. Sonst sind es jeden Tag um die 8.000. Und mein Ziel ist: Jede Woche im Durchschnitt 10.000 Schritte am Tag zu gehen“.
Aha. Jetzt verstehen Sie schon besser, was ich mit dem ersten Satz meine, oder?
Weil ich meine Aussage mit Kennzahlen konkretisiert habe. Weil ich den Sachverhalt bewertet habe.
Im BGM funktioniert das genauso.
Die gängigsten Kennzahlen im BGM drehen sich um krankheitsbedingte Fehltage. Aber es gibt noch viel mehr.
Warum Kennzahlen eine Rolle in Ihrem BGM spielen sollten
1. Mit Kennzahlen setzen Sie Fakten gegen Bauchgefühl
Arbeiten Sie schon länger in Ihrem Unternehmen, in Ihrer Verwaltung? Na, dann kennen Sie vermutlich die Probleme. Sie wissen, wo der Schuh drückt. Und darum haben Sie Ideen, was getan werden müsste.
Und wie Ihre Maßnahmen und Angebote im BGM so laufen – das wissen Sie auch.
Woher?
Ihr Bauchgefühl.
Das erinnert mich an Loriot und die Sache mit dem Frühstücks-Ei… Hier geht´s zum Video
Woher weiß eine gute Hausfrau, wann das Ei 4 ½ Minuten gekocht hat? Sie hat es im Gefühl.
Ihr Gefühl in allen Ehren: Danach allein sollten Sie im BGM keine Entscheidungen treffen.
Was Sie brauchen, sind nachprüfbare Fakten. Nur so können Sie gegenüber sich selbst, Ihrem Steuerungskreis, gegenüber Ihrer Geschäftsleitung sicher begründen, wofür Sie zum Beispiel Ihr Budget verwenden.
2. Kennzahlen im BGM helfen Ihnen, besser zu werden
Wie viele Angebote, Kurse, Aktionen für die Gesundheit der Beschäftigten gibt es bereits bei Ihnen?
Hier mal eine Befragung der pronova BKK aus 2018. Sie zeigt, was so üblich ist.
Von Untersuchungen beim Betriebsarzt bis Burn-out-Prävention – die 20 häufigsten Angebote allein zur Gesundheitsförderung.
Betriebliches Gesundheitsmanagement 2018, pronova-BKK
Und das ist ja nur ein Teil der Möglichkeiten.
Auch wenn Sie lediglich 5 solcher Maßnahmen haben, sind Sie mit der Steuerung und Organisation wirklich gut beschäftigt. Sich um all diese Angebote zu kümmern, kostet Sie Geld und Zeit.
Lohnt es sich auch? Stehen Kosten und Nutzen in einem guten Verhältnis?
Mit den richtigen Kennzahlen, können Sie die Qualität Ihrer Maßnahmen laufend überprüfen. Sie wissen, …
🔹 ob der Fitnesstest gut genutzt wird.
🔹 ob die Teilnehmer mit dem Yogakurs zufrieden sind.
🔹 ob der Obstkorb die Wirkung hat, die Sie mit ihm erzielen wollen und …
Kennzahlen machen Ihre Angebote vergleichbar. Sie können entscheiden, welche Maßnahme Sie verändern wollen und welche Sie einstampfen.
So machen Sie Ihr Angebot immer besser. Und so machen Sie Ihr BGM immer besser!
Der Fachbegriff dafür heißt: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess KVP.
3. Kennzahlen sind Ihr Navigationssystem im BGM
Ich finde ja, das Navi in meinem Auto ist eine der genialsten Erfindungen überhaupt.
Da sage ich dem System, wo ich hin will und komme entspannt vom Taunus ins Ruhrgebiet.
Starkregen, Nebel, Schnee, Baustellen? Egal – ich kann mich voll auf den Verkehr konzentrieren.
Mein Navi kennt mein Ziel. Es checkt immer, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin.
Und wenn´s auf der A 3 am Kölner Ring wieder mal einen Stau gibt, dann zeigt es mir rechtzeitig an, wo ich abfahren muss.
Großartig.
Kennzahlen im BGM sind so ähnlich.
Erst legen Sie die Ziele fest, die Sie erreichen wollen. Dann messen Sie, wo Sie in Ihrem BGM gerade stehen. Von wo aus Sie starten.
Und dann zeigen Ihnen Kennzahlen, ob Sie auf dem richtigen Weg sind, um Ihre Ziel zu erreichen.
4. Sie können Ihre Glaskugel bei Ebay verkaufen
Es gibt Kennzahlen, mit denen lässt sich quasi die Zukunft voraussagen.
Nee, leider nicht die Lottozahlen vom nächsten Samstag.
Ich erklär´s wieder am praktischen Beispiel: Angenommen, Sie wollen abnehmen.
Sie wissen, Sie dürfen nicht mehr Kalorien aufnehmen, als Sie täglich verbrennen. Sonst wird das nämlich nix.
Also:
Sie zählen die Kalorien beim Essen und berechnen die Kalorien, die Sie in Ruhe und in Bewegung täglich verbrauchen. Und wenn das eine größer ist als das andere, dann können Sie ziemlich sicher vorhersagen, ob Sie in den nächsten Wochen zu- oder abnehmen.
O.k. Leichter ist das Abnehmen trotzdem nicht. Weiß ich natürlich.
Aber das Prinzip ist klar geworden, oder?
In der BGM-Theorie gibt es das sogenannte Treiber-Indikatoren-Modell.
Fehlzeiten und Fluktuation zum Beispiel gehören zu den Spätindikatoren. (Mehr über krankheitsbedingte Fehlzeiten können Sie in diesem Blogartikel von mir nachlesen Mit Fehlzeiten argumentieren).
Führung, die Sinnhaftigkeit unserer Ziele und Aufgaben, die Kultur im Unternehmen, in dem wir arbeiten – all das gehört zu den Treibern.
Vereinfacht gesagt: Treiber beeinflussen Indikatoren.
Wenn Sie die Treiber messen, wissen Sie in etwa, wie sich die Indikatoren entwickeln:
Sind Kultur und Führung gesundheitsfördernd und sehen Beschäftigten Sinn in ihrer Arbeit, dann sind die Mitarbeitenden meistens auch selten krank und verlassen seltener das Unternehmen.
5. Ihre Präsentation kriegt mehr Wumms
„Hilfe“ – das stand im Betreff der E-Mail meiner Kundin.
Ihr oberster Chef hatte Ihr einen Gesprächstermin eingestellt. Das war das erste Mal. Noch nie hatte sie direkt mit ihm zu tun.
Er hatte Fragen. Fragen zu ihren Ideen, wie sie das BGM aufbauen will. Und Sie ahnte: Er will natürlich vor allem wissen “warum”.
Sie suchte meine Hilfe: Was soll sie ihm sagen? Was soll sie vorbereiten? Wie kann Sie übersichtlich zeigen, wo es „brennt“?
Solche Situationen kennen Sie auch, oder?
Wie wunderbar, wenn Sie dann aktuelle Kennzahlen in der Schublade haben.
Damit können Sie Themen übersichtlich aufbereiten, Probleme und Entwicklungen gut darstellen, Aha-Erlebnisse erzeugen.
Sie eiern nicht mehr rum. Sie werden sicherer. Ihre Präsentation machen Eindruck, Ihre Argumente haben Kraft.
Kurz: Das Ganze kriegt mehr Wumms (um mal mit den Worten unseres Bundeskanzlers zu sprechen 😊) ….
und erhöht Ihren Expertenstatus.
Und den brauchen Sie – mehr als Sie vielleicht denken.
Tipps, die Ihnen den Anfang leicht machen
1. Fangen Sie klein an.
Sie haben kein Riesen Budget, Sie können kein großes Rad drehen?
Ist auch nicht nötig.
Starten Sie erstmal damit, Ihre vorhandenen Maßnahmen – Schritt-für-Schritt – auf Qualität zu prüfen. Fangen Sie erstmal klein an.
Sicher: Ein Weg, um an Kennzahlen zu kommen, ist die Befragung all Ihrer Beschäftigten. Aber dafür brauchen Sie Geld, müssen einen Dienstleister finden, Verträge besprechen, den Betriebsrat ins Boot holen, den Datenschutz sicherstellen, die Kommunikation aufbauen – das dauert Monate.
Und in dieser Zeit passiert im Thema Kennzahlen erstmal gar nix.
Also: Fangen Sie erstmal klein an.
2. Nutzen Sie das, was schon da ist.
Sie wissen, Ihr Personalkollege setzt in den Führungskräfte-Seminaren Feedbackbögen ein?
Bestens.
Holen, anpassen, für Ihren Yoga-Kurs verwenden.
Sie wissen, Ihre Kollegin im Controlling erstellt monatliche Fehlzeitenübersichten.
Super.
Holen, verstehen, verwenden.
Sie haben noch nie den Jahresbericht Ihrer Sicherheitsfachkraft gesehen?
Nicht so super. Daher: Holen, …. Sie wissen schon.
Verschaffen Sie sich erst einmal einen Überblick, was es schon an Instrumenten und Zahlen in Ihrem Betrieb in Sachen Gesundheit gibt. Damit fangen Sie an zu arbeiten.
3. Sie dürfen Fragen stellen
Ihre Aufgabe ist es, die Arbeitswelt gesund zu gestalten.
Vielleicht ist das aber nur Ihr Nebenjob. Eigentlich sind Sie Assistentin des Abteilungsleiters, Fachkraft in der Buchhaltung oder für die Personalentwicklung zuständig?
Wie die Unfallzahlen aus dem Jahresbericht der Sicherheitsfachkraft erhoben werden, wissen Sie nicht? Wie Ihr Controlling die Arbeitsunfähigkeitsquote berechnet? Sie haben keine Ahnung? Wie Sie in Excel eine schöne Übersicht über Ihre BGM-Maßnahmen und die Nutzungsquote erstellen, ist Ihnen schleierhaft?
Macht überhaupt nix:
Fragen Sie nach!
Lassen Sie sich das von den Experten unter Ihren Kollegen und Kolleginnen erklären. Bitten Sie um Hilfe. Fragen, fragen, fragen. Eine Stunde Online-Meeting und Sie haben viel gelernt.
4. Gehen Sie Ihren eigenen Weg.
DAS eine, für alle passende Betriebliche Gesundheitsmanagement gibt es nicht. Sie wollen das BGM aufbauen, das zu Ihnen und zu Ihrer Organisation passt.
Und zwar auch in dem Tempo, das zu Ihnen und Ihrer Organisation passt.
Das gilt auch für Ihr Kennzahlensystem. Gehen Sie auch dort Ihren eigenen Weg.
Wichtig ist vor allem, dass Sie überhaupt anfangen, in Ihrem BGM auf Qualität zu setzen und mit Zielen und Kennzahlen zu arbeiten.
Und: Dass Sie dran bleiben!
Fazit
Kennzahlen im BGM sind mehr als nur Zahlen und Statistiken; sie sind das Navigationsinstrument, das Sie sicher durch die Herausforderungen des Gesundheitsmanagements führt.
Egal ob Anfänger oder Profi: Wenn Sie bewusst Kennzahlen im BGM einsetzen, dann kann das Ihre Arbeit revolutionieren. Es geht darum, die richtigen Ziele festzulegen und Fortschritte messbar und sichtbar zu machen.
Der erste Schritt ist oft der wichtigste.
Vielen Dank für diesen sehr informativen Beitrag!